Bei der Mongolischen Rennmaus handelt es sich um ein Nagetier der Gattung Gerbillus, welches aus den Halbwüsten und Steppen Nord Chinas und der Mongolei stammt.
Ihre Entdeckung erfolgte 1866 durch Pater Abbe Armand David, der 3 Tiere an ein Naturkundemuseum nach Paris versendete. Dort bekamen Sie auch ihren Namen. Meriones unguiculatus, was übersetzt so viel bedeudet wie "Krieger mit Krallen".
1935 wurden 20 Paare eingefangen, um in einem japanischen Institut die ersten Zuchtkolonien zu gründen. Aus der 1945 in einem Zentrallabor in Tokio gegründeten Zuchtkolonie wurden 1954 10 Paare in die USA versendet. Sie kamen in eine Zuchtfarm für Versuchstiere, von welcher aus sie nun in verschiedene Universitäten auf der ganzen Welt gelangten. Unsere Tiere stammen sehr wahrscheinlich von einem Import von 12 Paaren aus den USA ab, den 1964 ein englischer Professor in Birmingham veranlasste. Die sogenannten Wildfangnachzuchten sollen auf eine Fangaktion aus dem Jahr 1995 zurück gehen, aus welcher 60 Zuchttiere hervorgingen.
Bis ins Jahr 1967 gab es die Rennmaus nur in ihrer ursprünglichen Farbe, Agouti. Erst ab dieser Zeit traten nach und nach die ersten Genmutationen an den Farben kodierenden Genloci auf. Den Anfang machte, wie dies bei fast allen domestizierten Tieren der Fall ist, das Scheckungs Gen.
Die Rennmaus ist mit 6 bis 12cm mittelgroß und wiegt je nach Geschlecht und Zuchtlinie zwischen 60g und 150g. Sie hat einen eher lang gestreckten Körper, welcher gleichmäßig dicht behaart ist. Der Schwanz hat die gleiche Länge wie der Körper, ist behaart und endet in einer stärker behaarten Quaste. Der Kopf ist eher rundlich und gedrungen, mit großen Mandelförmigen Augen und mittelgroßen behaarten Ohren.
Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 3 bis 5 Jahre.
Die Geschlechtsreife tritt bei unseren heutigen Farbmongolen ungefähr ab einem Alter von 8 Wochen ein. Dies variiert stark nach Zuchtlinie und WFNZ Anteil. In der freien Wildbahn und bei den Wildfangnachzuchten werden Jungtiere deutlich länger hormonell an der Geschlechtsreife gehindert.
Die Wurfgröße kann zwischen 1 und 12 Jungtieren betragen. Der Großteil liegt zwischen 4 und 8 Jungtieren. Die Jungtiere werden frühreif geboren, d.h. sie sind bei der Geburt noch nicht vollständig ausgebildet, taub und nackt. Sie öffnen die Augen z.B. erst mit 14 bis 21 Tagen.
In Freiheit leben Rennmäuse in einem Familienverband zusammen, welcher sich aus einem Alpha-Pärchen und noch nicht geschlechtsreifen Jungtieren zusammen setzt. Werden Jungtiere geschlechtsreif, stellen sie ihre niedrige Rangfolge in Frage, oder werden die Ressourcen knapp, werden diese aus der Gruppe vertrieben. Solange sie sich dem Alpha-Paar unterwerfen, dürfen Sie in der Kolonie bleiben und unterstützen das Alpha-Weibchen bei der Aufzucht der Jungtiere, und füllen die Vorratskammern. Das Revier einer einzigen Kolonie kann sich bis über 400qm erstrecken und ist durchzogen von Ein- und Ausgängen sowie Versorgungstunneln, die die Nestkammern und Vorratskammer verbinden. Rennmäuse haben eine sehr hohe Reproduktionsrate, da sie in der Natur durch verschiedene Fressfeinde bedroht und stark dezimiert werden. Dennoch vermag das Alpha Weibchen auch selbstständig Wurfpausen einzulegen, z.B. im Winter oder bei Nahrungsknappheit. Je nach Jahreszeit passen sie ihren Schlafrhythmus an die Temperaturen an, um sich so vor den Wetterextremen (Temperaturschwankungen zwischen 50°C und -40°C) zu schützen. In ihren Wachphasen sind sie mit der Futtersuche und dem Um- und Ausbau der Tunnel und Kammern beschäftigt. Dabei legen sie Wegstrecken von mehreren Kilometern zurück. Dieses Verhalten wenigstens zum Teil ermöglichen, ist Ziel einer artgerechten Haltung.
Da der Mensch nur bedingt dem natürlichen Verhalten der Rennmaus gerecht werden kann, ergeben sich aus diesem Probleme bzw. Einschränkungen für die Haltung in Gefangenschaft. Die heutigen Farbmongolen haben die Fähigkeit verloren ihre Jungtiere hormonell zu unterdrücken, sodass sich deren Geschlechtsreife nicht mehr verlangsamt, sondern schon mit 8 bis 12 Wochen einsetzt, unabhängig davon, ob die Elterntiere mit im Gehege sitzen. Gleichzeitig hat sich an der Rangfolge und dem Vorhandensein eines Alpha-Pärchens nichts geändert. Somit wird das Vertreiben der Jungtiere „künstlich“ vorgezogen. Logischerweise können Nachkommen im Käfig nicht einfach vertrieben werden. Durch die Haltung wird ihnen die Möglichkeit genommen auf ein eigenes Revier auszuweichen. Dadurch werden die Tiere gezwungen den Streit körperlich auszutragen, im schlimmsten Fall bis auf Leben oder Tod zu kämpfen. Hier ist der Mensch als Halter in der Verantwortung solche Situationen zu erkennen, und das Vertreiben der Maus durch Entnahme dieser zu simulieren. Und durch eine neue Vergesellschaftung der Maus eine neue Gruppe und ein neues Revier „zu gründen“.
Außer in seriösen Zuchten, werden sie gleichgeschlechtlich gehalten, um so eine unkontrollierte Vermehrung zu verhindern. Viele Liebhaber ohne nötiges Fachwissen, unterschätzen oft das rasante Vermehrungspotential der Rennmaus und verlieren so schnell die Kontrolle über ihren Bestand. Für das natürliche Sozialverhalten ist die gleichgeschlechtliche Haltung logischerweise eher ein Kompromiss, den die Tiere aufgrund ihres sehr sozialen Charakters jedoch gut annehmen. Auch in gleichgeschlechtlicher Konstellation gibt es eine feste Rangordnung. Es gibt ein Alpha Tier und ein Rang niederes. Treffen 2 dominante Tiere aufeinander, führt dies früher oder später zu ernsthaften Streitigkeiten und Kämpfen, sodass solche Paare dauerhaft getrennt werden müssen. In Gefangenschaft obliegt es also dem Halter eine dem natürlichen Verhalten angepasste Konstellation zu finden.
Die sogenannten Wildfangnachzuchten ( WFNZ) sollen aus einer separaten Einfangaktion aus dem Jahr 1995 stammen. Über die Sicherheit dieser Aussage gibt es geteilte Meinungen. Klar ist jedoch, dass die WFNZ in heutiger Züchterhand aus Zookolonien abstammen und im Gegensatz zu den Farbmongolen reinerbige Agouti sind, sowie ein vollständig natürliches Sozialverhalten zeigen. Sie sind wie ihre Artgenossen in freier Wildbahn in der Lage ihre Nachkommen hormonell zu unterdrücken, und ermöglichen so eine Haltung als echte Großgruppe. In der ersten Generation (F1) mit der Kreuzung von Farbmongolen geht diese Fähigkeit leider direkt wieder verloren. Was sich aber zu Gunsten der Rennmäuse und des Züchters relativ gut vererbt ist das selbstständige Einlegen von Wurfpausen.
Durch die Annahme, dass die WFNZ nicht dem gleichen Genpool entstammen, sind sie interessante Partner in der Zucht, um alte Linien aufzufrischen und den Genpool wieder zu vergrößern.
ANMERKUNG ! Ich habe letztens gelesen, dass ein "Züchter" den Einsatz bzw. die Zucht mit WFNZ ablehnt, weil er das Tier nicht seiner Freiheit berauben will. Das ist natürlich völlig unsinnig. Auch wenn es der Name auf den ersten Blick andeuten mag, diese Tiere werden natürlich nicht frisch in der Mongolei eingefangen ;) Sie sind seit vielen Generationen in Züchterhand.
Körpersprache- Rennmäuse kommunizieren vor allem über Körpersprache miteinander. Boxen, seitwärts-stellen, putzen, auf den Rücken drehen, besteigen u.v.m. kann man als Besitzer nicht nur bei Vergesellschaftungen oder Streitigkeiten beobachten, sondern auch
im täglichen Miteinander. Wenn Sie genau hinsehen, können auch Sie schnell feststellen, welche ihrer Mäuse der Chef ist.
Geruch- Der gemeinsame Gruppengeruch ist für Rennmäuse das A und O. Wenn sich Rennmäuse begegnen, nehmen sie als erstes den Geruch der anderen Maus wahr, um sie als Freund oder Feind zu erkennen. Dieser Punkt ist deswegen auch eine Schlüsselfigur bei einer Vergesellschaftung. Das dominante Tier markiert mit der Duftdrüse regelmäßig das Revier. Oftmals kann man auch beobachten, dass die Mäuse sich gegenseitig markieren. Dabei kann das dominante Tier seine Duftdrüse über den Rücken des devoten Tieres schieben, oder das devote schiebt sich selbst unter der Bauch des dominanten Tieres.
Verbale Kommunikation- auch wenn es für uns nicht hörbar ist, Rennmäuse kommunizieren auch verbal. Eine Kollegin hat in Experimenten gezeigt, dass ihre eigenen Signale sehr denen von elektrischen Geräten ähneln, weshalb Rennmäuse fern ab von Fernseher und Co. stehen sollten!
In Gefangenschaft müssen wir uns an den oben genannten Problemen, die sich aus den natürlichen und den durch Zucht geänderten Verhaltensweisen ergeben, orientieren.
Dies bedeutet, dass in der Zucht der Züchter in der Verantwortung ist den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, zu welchem er die Jungtiere aus dem Familienverband nimmt, um diesen vor Unruhen zu schützen.
Im Liebhaberzuhause ist selbstverständlich keine Vermehrung gewünscht, weshalb eine gleichgeschlechtliche Haltung erfolgt. Da diese nur bedingt dem natürlichen Sozialverhalten entspricht birgt sie Gefahren und zieht den Halter in die Verantwortung.
Die gleichgeschlechtliche Haltung hat sich vor allem für Großgruppen als problematisch erwiesen. War es vor vielen Jahren noch Standard Rennmäuse in Großgruppen um die 5 Tiere zu halten, hat sich mit zunehmender Entwicklung in Richtung artgerechter Haltung gezeigt, dass diese Haltungsform nicht von Dauer ist. Früher hatten diese Gruppenkonstellationen relativ gute Chancen, da die Tiere auf sehr kleinem Raum gehalten wurden. Hamsterkäfige und Glasbecken mit 60cm Länge waren keine Seltenheit. Dementsprechend niedrig war auch die Einstreuhöhe. Auf so engem Raum stehen die Tiere unter Dauerstress, erkennen aber die Notwendigkeit des Zusammenhaltes, oder einfach den Mangel an Fluchtmöglichkeiten. Es fehlen also die Ressourcen, die die Tiere animieren könnten eine Rangfolge festzulegen und ein Revier zu beanspruchen. Mit dem Fortschritt in der Haltung, hin zu einem artgerechteren Leben, musste die Gruppenhaltung angepasst werden. Den heute gestellten Ressourcen ist eine Gruppe aus 2 Tieren am besten angepasst. In seltenen Fällen kann auch eine Gruppe aus 3 Tieren längerfristig stabil bleiben. Hierfür ist es erfahrungsgemäß notwendig, dass die Tiere gestaffelten Alters sind, und sich dadurch eine klare Rangfolge ergibt, die auf Dauer stabil gehalten werden kann. Für die Haltung in Gruppen über 2 Tieren gilt jedoch wieder ein reduziertes Ressourcen Angebot. Allgemein lässt sich beobachten, dass Gruppen stabiler sind, wenn die Tiere unterschiedlich alt sind. Dabei ist das Geschlecht unerheblich. Gleichaltrige Gruppen neigen, vor allem während der Flegelphasen (Pubertät), zu Rangstreitigkeiten. Im Abgabealter ist der Charakter der Maus, ob dominant oder devot, noch nicht abzusehen, sodass eine Abgabe gleichaltriger Jungtiere immer das Risiko birgt, dass diese mit Erreichen der Geschlechtsreife nicht mehr harmonieren.
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